Statistische Erfassung von Femiziden in Österreich
Im Zuge aktueller Debatten wird häufig eine einheitliche Definition des Begriffs „Femizid“ gefordert, um eine detaillierte Datenerhebung zu Frauenmorden zu ermöglichen. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass eine statistische Auswertung bereits möglich ist.
Der Begriff „Frauenmord“ beschreibt die Tötung einer Frau. Nicht jeder Frauenmord ist ein Femizid: „Femizide“ (Femicides) sind Tötungen von Mädchen und Frauen, die auf die patriarchale Machtmissverhältnisse und Diskriminierungen des weiblichen Geschlechts zurückzuführen sind. Der weitergehende Begriff „Feminizid“ schließt auch die Rolle staatlicher Institutionen und Akteur:innen in der Bekämpfung von Tötungen von Mädchen und Frauen ein und verbindet individuelle Taten mit staatlicher Verantwortung.
Weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene gibt es eine einheitliche Definition des Begriffs Femizid. Dieser unterliegt sich ständig verändernden Interpretationen und Diskussionen. Unterschiede zeigen sich insbesondere in der theoretischen Konzeption des Begriffs, der Definition zum Zwecke der statistischen Datensammlung und der Begriffsverwendung in der (internationalen) Politik. Die Vereinten Nationen definieren Femizide beispielsweise als „geschlechtsbezogene Tötungen von Frauen“1 oder „Tötungen von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts“2.
Gemäß dem European Institute for Gender Equality (EIGE) umfasst der Begriff unter anderem die Tötung infolge partnerschaftlicher Gewalt, frauenfeindliche Tötungen, Tötungen „im Namen der Ehre“ oder gezielte Tötungen von Frauen in bewaffneten Konflikten.3
In Österreich fallen Femizide unter das geschlechtsneutrale Delikt Mord (§ 75 StGB). In der österreichischen Kriminalstatistik wird bereits jetzt das Geschlecht der an einer Tat beteiligten Personen erhoben, wodurch die geschlechtsspezifische Auswertung von Mord(versuch)en an Frauen und Mädchen durch männliche Täter möglich ist. Seit Jänner 2024 wird zudem in der Datenkategorie „(Ex-)Partnerschaft“ gezielt das Beziehungsverhältnis zwischen Opfer und Täter erfasst.
Außerdem besteht seit 2020 die Möglichkeit, bei Vorsatzstraftaten, sogenannte Vorurteilsmotive („Hate Crimes“) zu erfassen. Sobald ein begründeter Verdacht besteht, dass ein abwertendes Vorurteilsmotiv – zum Beispiel Hass gegen Frauen (Hate Crime Identitätsmerkal: Geschlecht) – zu einer konkreten Gewalttat an einer Frau geführt haben könnte, wird dies von der Polizei erfasst. Dadurch kann erhoben werden, welchen Tötungsdelikten ein (feststellbarer) genereller Hass gegen Frauen zugrunde liegt. Ebenso wirkt strafverschärfend, wenn die Tat gegen Angehörige und so auch gegen die (Ex-)Ehefrau oder (Ex-)Partnerin gerichtet ist. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich hierbei um „besondere Erschwerungsgründe“ (§ 33 StGB), die bei der gerichtlichen Strafzumessung Berücksichtigung finden.4
Für die Einordnung eines Tötungsdelikts als Femizid ist demnach das Motiv von besonderer Relevanz. Die Motivlage statistisch zu erheben ist schwierig. Um ausführliche Erkenntnisse zu Tathintergründen und Motiven sowie dem weiteren Handlungsbedarf zu gewinnen, bräuchte es die Durchführung qualitativer Studien bzw. die Einrichtung einer Analysestelle zu Morden. In Anbetracht der Erfassung von Daten zum Geschlecht des Opfers sowie dem Beziehungsverhältnis zwischen Opfer und Täter, ist die derzeitige Datenlage jedoch ausreichend, um statistische Aussagen über geschlechtsspezifische Mord(versuch)e an Frauen und Mädchen zu treffen. Auch die Einführung eines spezifischen Tatbestands im Strafgesetzbuch erscheint aufgrund der Möglichkeit der Gerichte, Motive wie Frauenfeindlichkeit oder besondere Täter-Opfer-Konstellationen im Rahmen der Partner:innengewalt bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, nicht notwendig.
1 UNODC, Global Study on Homicide (2019) 8.
2 UN Economic and Social Council, Vienna Declaration on Femicide, E/CN.15/2013/NGO/1 (2013) 2.
3 Eine Auflistung ist auf folgender Website zu finden: https://eige.europa.eu/publications-resources/thesaurus/terms/1192?language_content_entity=en.
4 Informationen hierzu können dem jährlich erscheinenden Lagebericht Hate Crime entnommen werden, siehe https://www.bmi.gv.at/408/Projekt/start.aspx.