Schutzbereich

Ziele

Mit der Istanbul-Konvention wurde das bisher weitreichendste rechtsverbindliche Instrument zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geschaffen. Ziel der Konvention ist es, den Schutz von Frauen vor genderspezifischer Gewalt in Europa zu verbessern und gemeinsame Mindeststandards zu schaffen.

Die Konvention verpflichtet die Vertagsstaaten zur Gewaltprävention, zum Opferschutz, zur Strafverfolgung sowie zur koordinierten Maßnahmensetzung. Die Konvention umfasst alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und ermutigt die Vertragsstaaten, die Bestimmungen auch auf alle anderen Opfer häuslicher Gewalt anzuwenden, einschließlich Männer, Kinder und ältere Menschen.

Wesentliche Regelungsinhalte

Die Istanbul-Konvention ist gemäß Artikel 2 auf alle Formen der Gewalt gegen Frauen anzuwenden und beschreibt genderbasierte Gewalt explizit als Menschenrechtsverletzung und Folge von struktureller Diskriminierung. In diesem Zusammenhang fordert die Konvention – als wichtige Voraussetzung für den effektiven Schutz vor individueller Gewalt – die rechtliche und faktische Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft. Damit zusammenhängend definiert sie "Gender“ nicht nur als biologisches Geschlecht, sondern als ein durch die Zuschreibung von Rollen und Verhaltensmustern gesellschaftlich entwickeltes soziales Geschlecht.

Die Konvention umfasst physische, psychische und sexuelle Gewaltformen, wie sie sich unter anderem bei häuslicher Gewalt, Stalking, Vergewaltigung, sexueller Belästigung, Zwangsverheiratung oder Genitalverstümmelung manifestieren.

Weiters enthält die Konvention Verpflichtungen zur koordinierten Vorgangsweise bei der Gewaltprävention, beim Opferschutz, bei der Strafverfolgung und bei der Datensammlung. Überdies verpflichtet die Konvention ausdrücklich zur diskriminierungsfreien Umsetzung sämtlicher Maßnahmen und trägt dem Umstand Rechnung, dass es besonderer Maßnahmen für besonders vulnerable Gruppen bedarf.

Fragen und Antworten

Nach Artikel 1 des Übereinkommens zielt die Istanbul-Konvention darauf ab:

  • Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen;
  • einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern, auch durch die Stärkung der Rechte der Frauen, zu fördern;
  • einen umfassenden Rahmen sowie umfassende politische und sonstige Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwerfen;
  • die internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu fördern;
  • Organisationen und Strafverfolgungsbehörden zu helfen und sie zu unterstützen, um wirksam mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, einen umfassenden Ansatz für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt anzunehmen.

Die Istanbul-Konvention baut auf den nachfolgenden "vier Säulen" auf:

Gewaltprävention

  • auf Einstellung, Geschlechterrollen und Klischees einzuwirken, die Gewalt gegen Frauen gesellschaftlich akzeptabel machen;
  • Fachpersonal im Umgang mit Opfern von Gewalt zu schulen;
  • die Öffentlichkeit für die verschiedenen Formen von Gewalt und ihrer traumatischen Natur zu sensibilisieren;
  • in allen Bildungsbereichen Unterrichtsmaterial zum Thema Gleichstellung in die Lehrpläne aufzunehmen;
  • mit Nichtregierungsorganisationen, den Medien sowie der Privatwirtschaft zusammen zu arbeiten, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.

Gewaltschutz

  • die Bedürfnisse und die Sicherheit der Opfer in den Vordergrund zu stellen;
  • spezialisierte Hilfseinrichtungen zu schaffen, die medizinische Hilfe sowie psychologischen und rechtlichen Beistand für Opfer und ihre Kinder anbieten;
  • Schutzunterkünfte in angemessener Anzahl einzurichten und kostenlose Telefonberatung rund um die Uhr einzuführen.

Strafverfolgung

  • zu gewährleisten, dass Gewalt gegen Frauen unter Strafe gestellt und angemessen bestraft wird;
  • sicher zu stellen, dass kulturelle, traditionelle und religiöse Überzeugungen oder angebliche Ehrvorstellungen der Täter nicht als Rechtfertigung für Gewalttaten jeglicher Art anerkannt werden;
  • Opfern von Gewalt Zugang zu besonderen Schutzmaßnahmen während der polizeilichen Ermittlungen und Strafverfahren zu gewähren;
  • Polizei- und Strafverfolgungsbehörden anzuweisen, unmittelbar auf Hilferufe zu reagieren und mit Gefahrensituationen ordnungsgemäß umzugehen.

Integrativer Ansatz/koordinierte Maßnahmensetzung

  • zu gewährleisten, dass alle obigen Verpflichtungen in einem umfassenden und koordinierten Maßnahmenkatalog einfließen, der einen integrativen Ansatz gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt darstellt.

Weiterführende Informationen

Das Übereinkommen schützt Frauen und Mädchen aller Schichten, unabhängig von Alter, Religion, sozialer Herkunft, sexueller Orientierung oder Aufenthaltsstatus. Der Istanbul-Konvention liegt die Annahme zu Grunde, dass es bestimmte Gruppen von Frauen und Mädchen gibt, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, Gewalt zu erfahren. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die besonderen Bedürfnisse dieser Opfergruppen berücksichtigt werden.

Darüber hinaus ermutigt die Konvention die Vertragsparteien, die Bestimmungen auch auf alle anderen Opfer häuslicher Gewalt anzuwenden, einschließlich Männer, Kinder und ältere Menschen.

Nach Artikel 3 lit. b der Konvention umfasst der Begriff "häusliche Gewalt“ alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte.

Die Konvention beinhaltet in Kapitel V Regelungen zum materiellen Recht. Die Mitgliedstaaten sind nach der Konvention verpflichtet, alle nachfolgenden Gewaltformen unter Strafe zu stellen:

  • Psychische Gewalt (Artikel 33)
  • Nachstellung (Artikel 34)
  • Körperliche Gewalt (Artikel 35)
  • Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung (Artikel 36)
  • Zwangsheirat (Artikel 37)
  • Verstümmelung weiblicher Genitalien (Artikel 38)
  • Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung (Artikel 39)
  • Sexuelle Belästigung (Artikel 40)

Die Istanbul-Konvention nennt digitale Dimensionen von Gewalt nicht explizit. In einer im Dezember 2021 von GREVIO veröffentlichten Studie mit dem Titel "Protecting Women and Girls from Violence in the Digital Age"“ wurde jedoch dargelegt, dass das Übereinkommen auch Gewalt im digitalen Raum umfasst.

Link zur Studie